Zum Abschied ruft Desch
eine Wende im Fußball aus

Verbandstag: In Trier werden personelle und strukturelle Weichen gestellt

Quelle: Rhein-Zeitung, Nr. 151, 02.07.2022, Seite 25

Marco Rosbach analysiert die Lage vor dem Verbandstag des FV Rheinland, bei dem sich am Samstag in Trier nicht nur der Name an der Spitze ändern wird.

Koblenz. Vor dem 30. Ordentlichen Verbandstag des Fußballverbandes Rheinland (FVR) scheut
Walter Desch keine großen Formulierungen. Auch der Fußball stehe vor einer „gewissen Zeitenwende“, sagt der Präsident.
Mit dem Kanzlerwort spielt der 77-Jährige keineswegs darauf an, dass seine Ära am Samstag (ab 10 Uhr) in der Trierer Europahalle enden wird. Vielmehr sieht er seinen Sport vor einem massiven Wandel. „Kirche, Frühschoppen, Fußball – das ist lange vorbei“, bringt Desch auf den Punkt, was ihn auch in den letzten Tagen seiner siebten und finalen Amtszeit bewegt.

Im Wust der Anträge und Satzungsänderungen stechen drei große Themenfelder heraus, die Desch noch beackert wissen will, ehe er sich nicht nur feierlich verabschieden, sondern – mit höchster Wahrscheinlichkeit – auch zum Ehrenpräsidenten des FVR wählen lässt, um fortan dabei zu sein, aber nicht mehr zwingend vornweg zu marschieren in seinem Verband.

1. Präsidium: Das Präsidium selbst wird den Delegierten am Samstag Antrag Nummer eins vorlegen, in dem es um die künftige Zusammensetzung der Führungsriege im FVR geht. Auf den ersten Blick springt eines ins Auge: Es wird verdammt viele Vizepräsidenten geben im künftigen Präsidium – zehn an der Zahl. Bisher waren es drei, deren Aufgabengebiete sich leicht sperrig „sozial- und gesellschaftspolitische Aufgaben“, „Qualifizierung, Vereinsberatung und Freizeit- und Breitensport“ und „Fußballentwicklung und Talentförderung“ nannten. In der neuen Fassung sind Vizepräsidenten für „Finanzen“, „Recht“, „Senioren“, „Jugend“, „Frauen und Mädchen“, „Schiedsrichterwesen“, „sozial- und gesellschaftspolitische Aufgaben“, „Verbands- und Vereinsentwicklung“, „Qualifizierung“ und „Angelegenheiten der Fußballkreise“ vorgesehen. Richtig, es finden sich etliche Begrifflichkeiten wieder, die aktuell noch in den Ausschüssen verortet sind. Deren Vorsitzende sind bis dato Mitglieder im Präsidium, sollen es künftig aber nicht mehr sein. Gegenwind ist schon vor dem Verbandstag zu spüren. Doch das kennt Desch und stellt sich mit Argumenten vor den geplanten Umbau des Präsidiums. Während Kritiker von Postenschieberei reden, sieht der Präsident eine inhaltlich begründete und zwingend notwendige Umstrukturierung der Verbandsspitze. Seit drei Verbandstagen gebe es Problembereiche, in denen man nicht so recht vorankomme, räumt Desch ein. Jugend, Schiedsrichter, Frauen und Mädchen, Vereine – hier gelte es anzupacken, mit neuen Ideen. Der Ansatz: Wer Spielbetrieb organisiere, sei damit ausgelastet. Das hätten die handelnden Personen immer wieder betont. „Die Verantwortlichen in den Ausschüssen waren mit ihrer Tätigkeit so beschäftigt, dass keine Zeit blieb, darüber hinaus zu blicken“, legt Desch den Finger in die Wunde. „Natürlich ist der Spielbetrieb unsere Kernkompetenz, aber vieles darüber hinaus
liegt brach.“ Hier sollen insbesondere die Vizepräsidenten für Senioren, Jugend, Frauen und Mädchen sowie das Schiedsrichterwesen, die zugleich als „normale“ Mitglieder in den entsprechenden Ausschüssen vorgesehen sind, Freiräume haben und nutzen, um ein Abrutschen in eine Abwärtsspirale zu verhindern. „Das ist ein Programm für die Vereine“, wirbt Desch für diese aus seiner Sicht so wichtige Idee. „Das sind vier Leute, die sich um die Vereine
kümmern werden.“

2. Nachfolge: Schon vor drei Jahren in Ransbach-Baumbach hat sich Walter Desch nicht gescheut, Namen eines aus seiner Sicht geeigneten Nachfolgers zu nennen.
Gregor Eibes, damals gerade frisch gewählter Vizepräsident für Fußballentwicklung und Talentförderung, brachte er genauso ins Spiel wie Hochschullehrer Prof. Lutz Thieme. Während sich Thieme seither um das Thema Verbandsentwicklung gekümmert und in diesem Zusammenhang nicht weniger als 648 Vorschläge für mögliche Veränderungen des Spielbetriebs „professionell aufgearbeitet“ habe, wie Desch betont, hat Eibes in den vergangenen Monaten tatsächlich seinen Hut für das Präsidentenamt in den Ring geworfen.
Noch ist der 62-Jährige Landrat des Kreises Bernkastel-Wittlich. Sage und schreibe 141 Termine im Auftrag des FVR herunterzuspulen, wie Desch es 2019, also im letzten Jahr vor Corona, geschafft hat, dürfte auch das beste Zeitmanagement eines Landrats nicht zulassen,
sofern der Tag weiterhin nur 24 Stunden hat. Auch deshalb sieht Desch die oben skizzierte Ausweitung der Vizepräsidenten-Riege als Notwendigkeit an, während für das Tagesgeschäft „Spielbetrieb“ keine präsidiale Rolle notwendig sei.

3. Spielbetrieb: Die Zahlen sprechen für sich, das weiß Walter Desch aus eigener Erfahrung. Er
erlebe sogar den eigenen Verein in „einer Phase des Niedergangs“, bedauert der Funktionär aus Alterkülz und verweist auf gerade mal 125 verbliebene Mitglieder im Jahr des 100-jährigen Bestehens. Die Vereine schrumpfen nicht nur im Hunsrück, sondern flächig, die Zahl der Mannschaften sinkt, der Nachwuchs lässt auf sich warten – hier hängt vieles mit vielem,
vielleicht alles mit allem zusammen. Über den Spielbetrieb, der nicht länger vor den Grenzen der
neun Fußballkreise halt machen und die Auf- und Abstiegsregelung vereinheitlichen soll, sei „im Vorfeld ausführlich wie nie informiert“ worden, sagt Desch mit Blick auf die Vielzahl an Veranstaltungen zu diesem Komplex, der am Samstag als „Rheinland Modell“ verabschiedet
und in der Satzung verankert werden soll. Im Vergleich dazu habe man 2001, im Jahr seines
Amtsantritts, die damaligen Landesligen praktisch von jetzt auf gleich abgeschafft, erinnert sich
Desch. Im nächsten Schritt stehe vielleicht die Struktur der Kreise auf der Agenda, „doch das ist jetzt noch ausgeklammert“, wie der Präsident sagt. „In drei Jahren wird das vielleicht schon die nächste Veränderung sein“, blickt der 77- Jährige voraus in eine Zeit, in der er nicht mehr derjenige sein wird, der die richtungweisenden Entscheidungen einfädelt.

„Man muss dafür kämpfen, wenn man die Menschen verändern will“, sagt Walter Desch noch. Vielleicht ist dies sein größtes Vermächtnis, das er am Samstag in Trier seinem Nachfolger mit auf den Weg geben wird. Der Mann, der seit 2001 nie müde wurde, immer weiter zu bohren, seine Leute und nicht zuletzt die Vereine stets voranzutreiben, steht fortan nicht mehr in der ersten Reihe des FVR. Auch dieser Umstand ist Teil der Zeitenwende.

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