Sinzig/Westum. Die Vereinsfahne des SV Westum
flattert vor dem Eigenheim in der Westerwaldstraße leicht im Wind, die
Wände im Büro sind geschmückt mit Abbildungen von den
Jugendmannschaften, mit denen Erwin Ritterrath als Fußball-Trainer seit
knapp 30 Jahren sportlich erfolgreich war, und mit Auszeichnungen, die
der dienstälteste Jugendleiter im Fußballkreis Rhein/Ahr für sich selbst
und den Verein seit 1997 verliehen bekam.
Doch damit nicht genug: Der 65-Jährige präsentiert
in seinem Wohnzimmer voller Stolz seine in nahezu zwei Jahrzehnten
kontinuierlich gewachsene Krippen-Landschaft mit Figuren, die er zum
großen Teil auf seinen Reisen käuflich erworben hat. Fast genau so stolz
ist der zweifache Familienvater auf einen besonderen Coup, mit dem er
seinerzeit die Passstelle des Verbandes überraschte: Sein am 19.
September 2016 geborener Enkel Matteo ist seit seiner Geburt
spielberechtigt für Freundschaftsspiele – der erforderliche Spielerpass
liegt seitdem vor.
Der 65-jährige Referatsleiter im Bonner Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik, der kurz vor seiner
Pensionierung steht, hat noch eine weitere große Leidenschaft: Seit fast
50 Jahren ist er aktives Mitglied im Männergesangverein Westum, seit
2000 dessen Vorsitzender. Wichtig ist für ihn auch das Engagement im
kirchlichen Bereich.
Hier begann er schon als Heranwachsender, sich für
die Jugendarbeit zu engagieren. Derzeit führt er den
Pfarrverwaltungsrat an. Auf ihn können auch der Dorfgemeinschaftsverein
und der Backesverein seines Heimatortes zählen. Nach der aktiven Zeit
als Fußballer – 25 Jahre lang lief er hinter dem runden Leder her – hat
er im Wandern ein neues Hobby entdeckt. Vor Jahren pilgerte er mit
seiner Frau Monika über den 230 Kilometer langen französischen
Jakobsweg.
Bevor Ritterrath der Versuchung erlag, sich für
die Alten Herren noch einmal das Trikot überzustreifen, traf er eine für
sich und seinen Heimatverein wegweisende Entscheidung. Fortan widmete
er sich dem Kickernachwuchs. Einen wichtigen Antrieb lieferte dem
Familienvater der Umstand, dass seine beiden Söhne ins richtige
Fußballalter kamen.
„Ich hätte nie gedacht, den Trainerjob und die
Arbeit als Jugendleiter über so viele Jahre auszuüben“, erzählt
Ritterrath, der seit 1997 der SG Westum/Löhndorf auch als Jugendleiter
zur Seite steht. „Ohne die Unterstützung meiner Frau Monika wäre das
auch nicht möglich gewesen.“
1995 erwarb er die Übungsleiter-Lizenz, bis vor
Kurzem war er stets als Trainer eines Nachwuchsteams aktiv. Meist waren
es Mannschaften ab dem C-Jugendalter, mit denen er auch einige tolle
Erfolge feierte. So etwa, zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten
Heinz Becker aus Bad Bodendorf, den Aufstieg und eine zweijährige
Zugehörigkeit zur B-Junioren-Rheinlandliga.
Der mittlerweile 101 Jahre alte SV Rheinland
Westum hat sich seit jeher zum Ziel gesetzt, Jugendlichen mit einer
qualifizierten Ausbildung den Sprung in den Seniorenbereich zu
ermöglichen. Dieser Maxime fühlt sich seit 1972 auch der Partner TuS
Löhndorf verpflichtet, mit dem man eine Kooperation einging, die später
auf den Erwachsenensektor ausgeweitet wurde und bis heute noch Bestand
hat.
Ein gesteigerter Wert wird bei der SG
Westum/Löhndorf auf Aus- und Fortbildung der Trainer und Betreuer
gelegt. In einer eigens initiierten Qualifizierungsoffensive wurden die
Weichen gestellt für eine vereinsinterne Ausbildung bis hin zur
C-Lizenz. Basislehrgang sowie die Module Teamleiter Kinder und Jugend
wurden mit bis zu 20 Teilnehmern aus den eigenen Reihen zügig
abgeschlossen, der noch ausstehende Lizenz-Lehrgang musste wegen Corona
verschoben werden.
Zwischenzeitlich waren es über 30 Männer und
Frauen, die sich um bis zu 20 Teams im Jugendbereich kümmerten. Dazu
zählten auch zwischen 2004 und 2016 die Mädchen. „Leider ist es uns
nicht gelungen, hier für Nachhaltigkeit zu sorgen“, bedauert Ritterrath:
„Am Verein hat es sicherlich nicht gelegen, es fehlt einfach an
Fußballerinnen, um Mannschaften ins Punktrennen zu schicken. Daran hat
sich auch nichts geändert, nachdem wir unseren neuen Kunstrasenplatz in
Betrieb nehmen konnten.“
Mit dem Platzbau hat sich einiges zum Positiven
verändert, doch für Ritterrath gilt nach wie vor: „Ohne die notwendige
personelle Kraft geht gar nichts.“ Die Infrastruktur wird sich sogar
weiter verbessern, wenn in Löhndorf der im Bau befindliche Naturrasen
und in Bad Bodendorf ein weiterer Kunstrasenplatz zur Verfügung stehen
werden. Dazu muss man wissen, dass der SC Bad Bodendorf mit im Boot ist,
wenn es um die älteren Jugendlichen geht.
Was alles möglich ist, wenn eine vielköpfiges Team
parat steht, ist ablesbar an zwei Projekten, die Westum/Löhndorf bis in
höchste Kreise des Fußballverbandes einen hervorragenden Ruf
eingebracht haben: Das ist zum einen das Zeltlager in Urbach im
Westerwald. Bis zu seiner Schließung 2019 waren Jugendliche aus Westum
und Löhndorf dort 28 Jahre lang Dauergast. Ritterrath und seine Frau
waren seit 1993 mit von der Partie bei der sechstägigen Freizeit während
der Sommerferien. Die Teilnehmerzahl wuchs von anfangs 17 auf 67 an.
„Insgesamt waren in fast drei Jahrzehnten 1165
Jugendliche und 47 Erwachsene mit dabei“, berichtet Ritterrath, der
genau Buch geführt hat. Eine weitere logistische Meisterleistung
vollbringt der Jugend-Chef bei den jährlichen Fahrten zu alternativen
sportlichen Großveranstaltungen. Etwa wenn 180 Personen den Zug nach
Köln besteigen, um sich dort ein Eishockeyspiel anzuschauen.
Viel Logistik ist auch bei den Hallenturnieren
erforderlich, die für den Kreis und den Verband ausgerichtet werden. Die
beiden Hallen in Sinzig bieten ideale Bedingungen, die
SG-Helfermannschaft umsorgt die Gäste seit Langem vorbildlich.
„Das ist manchmal recht stressig, aber wenn man
die Leute persönlich anspricht, gibt es meist nur Zusagen. Dass sich der
Einsatz für die spätere Finanzierung der Vereinsarbeit lohnt, muss man
an dieser Stelle nicht extra betonen“, sagt Ritterrath: „Leider werden
uns in diesem Winter wegen Corona die Einnahmen fehlen.“ Der
Langzeit-Jugendleiter macht sich noch mehr Sorgen darum, wie es nach der
Pandemie weitergeht: „Die Menschen haben schweren Herzens lange auf
etwas verzichten müssen. Bleibt die bange Frage, ob sie nach alledem
wieder zu dem zurückkehren, was ihnen vorher Spaß gemacht hat. Das gilt
für die Sportler ebenso wie für Trainer und Betreuer.“
Wer so lange wie Ritterrath im Geschäft ist, hat
zahlreiche Veränderungen miterleben müssen. „Da hat man sich schon mal
geärgert, wenn sich die Spielfeld- und Ballgrößen veränderten oder neue
Auflagen das Leben schwerer machten. Was ich aber trotz anfänglicher
Bedenken als einen Riesenfortschritt ansehe, ist das DFBnet. Hier wurde
uns endlich mal die Arbeit erleichtert“, betont Ritterrath und verweist
auf die Vorzüge der Online-Abwicklung des gesamten Spielbetriebs.
Ritterrath hat trotz vieler Erfolge im
Nachwuchsbereich nie den Boden unter den Füßen verloren und stellt im
Rückblick fest: „Bezirkliga bleibt erstrebenswert, Rheinlandliga ist für
uns einfach eine Nummer zu groß. Dafür sind Konkurrenz in geografischer
Nähe und das Risiko zu groß.“ Ganz Realist ist er auch, was seine
eigene Zukunft als Jugendleiter angeht: „Das wird nicht einfach, für
mich einen Nachfolger zu finden.“ Wer weiß, vielleicht kommt er sogar
aus der eigenen Familie.
Die Wände in Büro des SG-Jugendchefs sind
geschmückt mit den Fotos von erfolgreichen Jugendteams und
Auszeichnungen für ihn und seinen Verein.
Quelle: Rhein Zeitung 16.01.2021 Seite 13, Sport Regional, Hans Josef Schneider